Intensivpädagogik Blog
Hier die Geschichten aus meinem pädagogischen Alltag. Viel Spaß beim Lesen!
Eine Fahrt zwischen Panik und Vertrauen
Es war Abend, dunkel, die vierspurige Autobahn voll befahren. Lichter rauschten auf beiden Seiten an uns vorbei. Ich war mit meiner Gruppe auf dem Heimweg zur Wohngruppe, die Kinder hatte ich gerade von ihren Besuchswochenenden bei den Eltern abgeholt.
Im Auto herrschte keine Ruhe. Im Gegenteil, die Kinder waren aufgedreht, redeten durcheinander, stritten. Ich hatte Mühe, mich auf den Verkehr zu konzentrieren. Die Stimmung schwankte irgendwo zwischen fröhlich, erschöpft und überreizt, wie so oft nach solchen Wochenenden.
Neben mir auf dem Beifahrersitz saß ein zehnjähriges Mädchen, noch neu bei uns. Und plötzlich, aus dem Nichts, riss ein panischer Schrei die ohnehin angespannte Atmosphäre in Stücke.
„Mein Kuscheltier! Ich hab mein Kuscheltier verloren!“
Von einer Sekunde auf die nächste kippte die Situation. Das Mädchen wurde panisch, schrie, weinte, begann zu toben, trat gegen das Armaturenbrett, war völlig außer sich. Ich versuchte, Ruhe zu bewahren, spürte aber, wie auch in mir eine Welle von Unsicherheit aufstieg. Ich kannte sie noch nicht gut. Ich wusste nicht, was sie genau triggert, wie viel Halt sie mir zutraut.
Ich sprach ruhig auf sie ein, versprach, bei der nächsten Gelegenheit rechts ranzufahren, um nach dem Kuscheltier zu suchen. Doch sie war nicht zu erreichen. Ihre Angst, ihre Überforderung waren größer als meine Worte.
Inmitten des dichten Verkehrs und der Verantwortung für die gesamte Gruppe, sah ich keinen anderen Ausweg. Ich musste eine Grenze setzen – klar, deutlich, aber nicht drohend. Ich sagte: „Wenn du jetzt nicht aufhörst, muss ich die Polizei rufen, damit dir geholfen werden kann.“
Ein kurzer Moment des Innehalten, der Atem schwer. Dann griff sie plötzlich in ihre Jackentasche, zog das Kuscheltier heraus, hielt es hoch und sagte ruhig: „Hier ist sie.“
Und genau so schnell, wie die Welle kam, ebbte sie auch wieder ab. Sie beruhigte sich. Das Auto wurde etwas stiller. Ich konnte mich wieder auf die Autofahrt konzentrieren.
Später, als ich am Abend im Bett lag, kam das Grübeln.
Hatte ich richtig gehandelt? Hatte ich ihr Angst gemacht, als ich die Polizei erwähnte?
Als Pädagogin stellt man sich oft solche Fragen. Und manchmal gibt es keine klaren Antworten.
Es gibt nicht immer ein richtig oder falsch. Nur den Versuch, im Moment das Bestmögliche zu tun.
Ich bin auch nur ein Mensch. Ich hatte Angst, ich war überfordert, aber ich war da. Ich habe versucht, Verantwortung zu übernehmen, in einer Situation, die auch mir zu viel wurde.
Und vielleicht ist genau das unser Auftrag:
Nicht perfekt zu sein. Sondern menschlich. Standzuhalten, wo andere weglaufen würden. Und Kindern immer wieder zu zeigen: Ich nehme dich ernst. Du bist nicht allein!
Morgenexplosion und der Moment der Ruhe
Manche Tage beginnen nicht mit Vogelgezwitscher, sondern mit einem Donnerschlag mitten im Esszimmer. Heute war so ein Morgen.
Es war noch nicht einmal 8.00Uhr, da waren alle drei Kinder bereits auf den Beinen. Und wie so oft: kaum wach, waren zwei der Kinder schon im Clinch. Beide waren heute morgen wie ein gespanntes Gummiband, jede Bewegung zog gleich einen Rückschlag nach sich.
Ich versuchte, dem Morgen eine gewisse Struktur zu geben, Frühstück, Toast, Kakao. Doch selbst der Geruch von frischem Toast konnte die angespannte Stimmung nicht mildern. Am Tisch flogen Worte, spitze, provozierende, nervige Kommentare. Ich mahnte ruhig, dann bestimmt, dann eindringlich: „Bitte, jeder konzentriert sich jetzt auf sich.“ Doch Worte schienen heute nur weiteres Zündmaterial zu sein.
Als Eines der Beiden vom Tisch aufstand, um sich etwas aus dem Kühlschrank zu holen, und dabei in seine Nähe kam explodierte das Gummiband endgültig. Ein Tritt. Eine Beschimpfung. Noch ein Tritt. Noch ein Schrei. Ich stellte mich sofort dazwischen, versuchte zu deeskalieren, appellierte an ihre Vernunft: „Bitte, ihr geht jetzt jeder in euer Zimmer, ihr braucht Abstand, Ruhe.“ Doch sie waren wie in einem Tunnel, gefangen in ihrem Wutanfall.
In solchen Momenten, wenn alle pädagogischen Werkzeuge stumpf wirken, wird es ernst. Ich musste eine klare Grenze setzen, nicht aus Macht, sondern aus Verantwortung. Ich sagte ruhig, aber unmissverständlich: „Wenn ihr jetzt nicht aufhört, muss ich die Polizei rufen, ihr könnt euch sonst ernsthaft verletzen.“ Das beeindruckte sie zunächst wenig. Also griff ich zum Telefon und rief, wie es unser Vorgehen ist, zuerst den Leistungsbereitschaftsdienst (LBD) an.
Allein dieser Schritt, das Signal, dass es nun eine Eskalationsstufe weiterging, hatte Wirkung. Beide sahen mich an, dann einander. Meckernd gingen die Kinder dann in ihre Zimmer. Endlich Stille! Ich atmete tief durch.
Ich bat sie, eine halbe Stunde in ihren Zimmern zu bleiben. Keine Strafe sondern eine Chance. Eine Möglichkeit, herunterzukommen, sich zu sammeln, in der eigenen Welt kurz Abstand zur Welt des anderen zu finden.
Solche Situationen fühlen sich oft an wie ein persönliches Scheitern, weil wir sie nicht verhindern konnten. Aber in Wahrheit sind sie der Kern unserer Arbeit. Dort, wo es unbequem wird, fängt die Beziehung an. Wenn wir es schaffen, in diesen Momenten nicht die Kontrolle zu verlieren, sondern Halt zu geben, dann wachsen nicht nur die Kinder. Sondern auch wir.
Zwischen den Stühlen – Wenn alle Kinder gleichzeitig brauchen
Manche Situationen in der intensivpädagogischen Arbeit sind einfach nicht aufzulösen, zumindest nicht so, dass sich am Ende alle gesehen, gehört und gerecht behandelt fühlen. Und doch stehen wir genau in solchen Momenten immer wieder vor Entscheidungen, die wir in Sekundenschnelle treffen müssen. Entscheidungen, die nicht nur unseren Tagesplan betreffen, sondern auch die Gefühle, das Vertrauen und die Beziehung zu den Kindern, mit denen wir arbeiten.
Gestern war so ein Tag. Ich war mit zwei unserer Jungs in der Wohngruppe. Eigentlich war der Plan klar: Mit einem der beiden sollte ich, wie in der Tagesbesprechung vereinbart, das Zimmer aufräumen. Alles war besprochen, er hatte sich innerlich darauf eingestellt. Doch in dem Moment, als wir loslegen wollten, fing der andere Junge an zu weinen. Ich setzte mich zu ihm, fragte, was los sei. Seine Antwort traf mich tief: „Mir ist langweilig, und ihr Pädagogen habt nie Zeit für mich. Immer seid ihr bei den anderen, weil die ständig ausrasten.“
Das saß. Und es war ehrlich. Da saß ein Kind vor mir, das sich übersehen fühlte. Nicht laut, nicht wütend, sondern traurig. Ich spürte, dass das ein Moment war, in dem ich ihn nicht einfach wegschieben konnte. Ich schlug ihm vor, gemeinsam ein Spiel zu spielen und den Zimmerputz mit dem anderen Jungen einfach ein wenig zu verschieben. Er war einverstanden.
Als ich dann zu dem anderen Jungen ging, um die Planänderung zu erklären, merkte ich sofort: Das wird schwierig. Für ihn war klar, dass jetzt der vereinbarte Putztermin war. Er hatte sich darauf eingestellt und nun schien ich das Versprechen zu brechen. Er tobte, war wütend, enttäuscht. Ich fühlte mich hin- und hergerissen. Wie soll ich zwei Kindern gerecht werden, die gleichzeitig meine volle Aufmerksamkeit brauchen? Ich konnte mich nicht aufteilen.
Ich entschied mich, beim Spiel mit dem ersten Kind zu bleiben. Es war eine bewusste Entscheidung, aber keine einfache. Der andere Junge tobte weiter, dann kamen die Tränen. Selbst das spielende Kind spürte die angespannte Stimmung und sagte irgendwann: „Geh zu ihm und helf ihm beim Zimmerputz.“ Doch ich blieb. Wir spielten zu Ende. Und irgendwann, leise, ohne dass ich es erwartet hatte, hatte der andere Junge den Zimmerputz allein erledigt. Ganz für sich.
Ich weiß nicht, ob das die richtige Entscheidung war. Solche Situationen sind keine Matheaufgabe mit einer klaren Lösung. Sie sind voller Emotionen, voller Beziehungsdynamiken, voller Erwartungen, von Kindern, von uns selbst.
Was ich in solchen Momenten fühle? Ohnmacht. Schuld. Der Wunsch, für alle da sein zu können und die Erkenntnis, dass es einfach nicht geht. Aber auch Mitgefühl. Für das eine Kind, das sich übersehen fühlt. Für das andere, das sich auf eine Abmachung verlassen hat. Und ja, auch für mich selbst, mitten in diesem Dilemma.
Diese Arbeit bringt solche Momente mit sich. Sie zeigen, wie viel Beziehung in jeder kleinen Handlung steckt. Wie schwer es ist, gerecht zu sein, wenn Bedürfnisse sich überschneiden. Und wie wichtig es ist, sich selbst auch zuzugestehen, dass wir nicht perfekt sein müssen sondern menschlich.
Grenzsituationen in der Intensivpädagogik
Es gibt Tage in der Intensivpädagogischen Arbeit, die deutlich machen, wie unvorhersehbar und fordernd der Alltag in der Intensivpädagogik sein kann. Theorie und Methodik treten dann in den Hintergrund, gefragt ist besonnenes Handeln im Moment. Ein solcher Tag hat sich mir besonders eingeprägt.
Wir (drei Kinder und zwei Pädagog*innen) befanden uns in einem Freizeitbad. Ein Ort, der sonst oft positive Impulse bietet: Bewegung, Abwechslung, Freude. Doch an diesem Tag kam es zu einer Eskalation.
Im Wärmebecken gerieten ein Mädchen und ein Junge aus unserer Gruppe in eine Auseinandersetzung. Das Mädchen reagierte impulsiv und schlug plötzlich auf den Jungen ein. Wir Pädagog*innen griffen sofort ein. Trennten die beiden, versuchten zu deeskalieren und präsent zu bleiben. Während mein Kollege sich um das Mädchen kümmerte, betreute ich den Jungen. Die Situation blieb jedoch angespannt. Das Mädchen versuchte, weiter auf den Jungen loszugehen.
Durch abgestimmtes Vorgehen gelang es uns schließlich, die Lage so weit zu stabilisieren, dass wir gemeinsam das Bad verlassen konnten. Dennoch war die Anspannung deutlich spürbar.
Auf dem Weg zum Auto kam es zu einem weiteren kritischen Moment: Das Mädchen kündigte plötzlich an, auf die Straße zu rennen, und setzte dies sofort in die Tat um. Mein Kollege reagierte schnell und konnte sie zurückhalten. Auch wenn die emotionale Anspannung weiterhin spürbar war, gelang es uns schließlich, gemeinsam den Weg zum Auto fortzusetzen.
Auch dort eskalierte die Situation erneut: Mein Kollege erhielt unerwartet einen Kopfstoß. Wir entschieden, die Polizei zu verständigen. Eine Maßnahme, die wir nicht leichtfertig trafen.
Bis zu deren Eintreffen mussten wir weiterhin wachsam und handlungsfähig bleiben. Das Mädchen versuchte mehrfach zu schlagen und wegzulaufen. Jeder Moment erforderte Aufmerksamkeit, klare Ansprache und körperliche Präsenz. Dies immer mit dem Ziel, Sicherheit zu gewährleisten, Grenzen zu setzen und dennoch wertschätzend zu bleiben. Die beiden anderen Kinder mussten ebenfalls begleitet werden, um sie emotional zu entlasten und sicherzustellen, dass sie durch die Eskalation nicht zusätzlich verunsichert oder überfordert werden.
Als die Polizei eintraf, zeigte sich das Mädchen nach außen hin ruhiger. Dennoch entschieden wir, sie zur weiteren Versorgung in eine nahegelegene Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu bringen. Hintergrund war, dass das Mädchen in letzter Zeit wiederholt fremd- und eigengefährdendes Verhalten gezeigt hatte und dringend professionelle Hilfe benötigte, die wir im Rahmen unseres pädagogischen Auftrags nicht mehr alleine leisten konnten.
Warum ich diese Situation teile?
Weil sie exemplarisch zeigt, wie herausfordernd Intensivpädagogik sein kann und wie entscheidend Präsenz, Teamarbeit, Haltung und Handlungssicherheit sind. Und weil sie daran erinnert, dass hinter impulsivem Verhalten oft eine tieferliegende Not steht.
Solche Situationen erfordern viel – aber sie sind Teil unseres Arbeitsfeldes. Und sie zeigen, wie wichtig es ist, in schwierigen Momenten professionell und verlässlich zur Seite zu stehen.
Als mein Team zerbrach
Als ich in unserer Wohngruppe angefangen habe, war das Team vollständig. Ich war die letzte Neueinstellung. Wir schätzten und stützten uns gegenseitig. Für mich als Neue in diesem Arbeitsfeld war das ein großes Geschenk. Ich hatte Sicherheit, Unterstützung und das Gefühl, in einem stabilen Team gelandet zu sein. Ich erinnere mich an dieses Gefühl von „Wir schaffen das, weil wir zusammen sind“.
Doch in der Intensivpädagogik ist personelle Beständigkeit selten. Nach etwa einem Jahr begann eine langsame, schleichende Veränderung.
Es fing an mit dem Abschied unserer Praktikantin, als ihr Praxissemester endete. Kurz darauf kam ein neuer Kollege, ebenfalls befristet ins Team, da er nach einiger Zeit sein Studium fortsetzen wollte.
Mit ihnen gingen zwei wertvolle Menschen und Teammitglieder verloren. Doch im Vergleich zu dem, was noch vor uns lag, war das erst der Anfang.
Es folgte der nächste Abschied, da ein Kollege für ein halbes Jahr in Elternzeit ging. Ein anderer wurde versetzt. Eine neue Kollegin kam und ging bald wieder, weil ihre familiäre Situation es nicht zuließ. Die Bereichsleitung verließ uns. Kurz darauf auch die Hausleitung, die für mich menschlich so wertvoll gewesen war. Eine weitere Kollegin ließ sich versetzen. Ich musste miterleben, wie das Team, Stück für Stück zerbröckelte und jedes Mal blieb die Frage zurück: Wer wird als Nächstes gehen?
Zwischendrin immer wieder Krankheitsausfälle. Dienste, die aufgefangen werden mussten. Pläne, die ständig umgeworfen wurden, Belastung tragen.
Heute stehe ich an einem Wendepunkt, denn ich sehe wieder Licht am Ende des Tunnels. Der Kollege aus der Elternzeit kommt bald zurück und zwei neue Teammitglieder werden in ein paar Wochen anfangen.
Wir werden ein neues „Wir“ finden müssen. Und ehrlich gesagt, habe ich auch ein wenig Angst, denn jede Neueinstellung ist ein Risiko. Was, wenn jemand Neues kommt, der nicht zu uns passt? Oder bringt diese Kollegin/ Kollege Unruhe?
Doch eines weiß ich: Ich werde dieses erste Jahr, in dem wir alle zusammen waren, nie vergessen und es hat mir gezeigt, wie stark ein Team sein kann und wie weh es tut, wenn es auseinanderfällt. Aber Teamfluktuation kann auch eine Chance sein, Neues zu lernen, sich anzupassen und immer wieder neue Formen von Teamgeist zu entdecken.
Am Boden angelangt
Ich hätte nicht gedacht, dass es mich einmal so sehr erwischen würde. Eigentlich dachte ich, ich sei stark genug, um alles durchzustehen. Doch manchmal reicht ein einziger kleiner Funke, um zu merken, dass man längst über seine Grenzen hinausgegangen ist.
Wir mussten unsere Wohngruppe wegen Renovierungsarbeiten verlassen. Es sollte nur zwei Monate dauern. Am Ende wurde ein halbes Jahr daraus. Wir landeten in einer anderen Wohngruppe, die weder für uns noch für die Kinder wirklich geeignet war. Vieles fehlte, ständig war ich am Suchen. Hinzu kam eine personelle Fluktuation im Team, was die Situation zusätzlich erschwerte. In dieser Zeit betreuten wir ein Kind, das nicht nur pädagogische, sondern auch psychiatrische Themen hatte und das durch den Ortswechsel noch mehr aus der Bahn geworfen wurde. Dieses Kind war extrem herausfordernd, fremd- und selbstaggressiv, mit Weglauftendenzen. Am Ende konnten wir es gar nicht mehr halten. Das war belastend für uns alle.
Und dann war da ja auch noch mein Privatleben. Ich hatte mir so sehr meinen Urlaub herbeigesehnt. Spanien, meine Eltern besuchen, endlich Kraft tanken. Doch am zweiten Tag kam meine Mama mit Verdacht auf Herzinfarkt ins Krankenhaus. Statt Erholung verbrachten wir die Tage mit Sorgen, mit Krankenhausfahrten und der Unterstützung meines 92-jährigen Vaters. Ich habe funktioniert, aber nicht wirklich neue Kraft sammeln können.
Als wir endlich zurück in unsere renovierte Wohngruppe konnten, dachte ich: Jetzt wird es besser. Neue Kolleginnen standen bereits in den Startlöchern, das Team sollte wieder vollständig werden. Ich hielt durch, immer positiv, immer nach vorne schauend. Doch in Wahrheit war ich längst erschöpft. Und es brauchte nur eine kleine Bemerkung in einer Supervisionssitzung, um mich zusammenbrechen zu lassen.
Ein Kollege sagte sinngemäß, dass man sich Dinge nicht merkt, wenn man kein Interesse hat. Er konnte nicht wissen, dass ich ADHS habe und ich mir manches deshalb nicht so gut merken kann. In einem anderen Moment hätte ich es vielleicht weggesteckt. Aber nicht in diesem. Es traf mich sehr, ich weinte, war leer, brauchte ein paar Tage, um mich wieder zu stabilisieren. Gleichzeitig war ich meinem Kollegen dankbar, denn im Gespräch danach konnte ich offen aussprechen, was ich bisher verschwiegen hatte.
Doch diese Situation hat mir vor allem eines gezeigt: Ich habe so viel gegeben, für die Kinder, für das Team, für alle anderen. Aber ich habe vergessen, auch auf mich zu achten. Und wenn man nur gibt und nicht auch selbst auftankt, dann kommt irgendwann der Punkt, an dem nichts mehr geht.
Ja, ich war völlig ausgebrannt. Aber genau dort habe ich verstanden, dass ich etwas ändern muss. Für mich. Und damit auch für die Menschen, die mir anvertraut sind.
Vielleicht geht es dir ähnlich …
Wir in der Intensivpädagogik und in sozialen Berufen allgemein, geben oft alles. Und doch sind wir keine Maschinen. Es ist keine Schwäche, sich eingestehen zu müssen: „Es ist zu viel.“ Es ist Stärke, die eigenen Grenzen zu erkennen.
Wenn du das Gefühl hast, selbst am Boden angekommen zu sein: Du bist nicht allein und es ist in Ordnung, dir Hilfe zu holen, innezuhalten, dich zu erholen. Denn nur wenn wir selbst bei Kräften sind, können wir für andere da sein.